Einleitung#
Können im Rahmen des EOM genügend Investitionsanreize entstehen, sodass langfristig genügend versorgungsrelevante Kapazität bereitgestellt wird? Die ökonomische Theorie geht davon aus, dass liberalisierte Märkte zu einer effizienten Allokation von Ressourcen führen, wenn eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt sind [1]. Der zweite Hauptsatz der Wohlfahrtsökonomik besagt, dass unter der Voraussetzung von vollkommenem Wettbewerb und unter Abwesenheit von Externalitäten, das Marktergebnis als pareto-optimal gilt [2]. Insofern kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass auch in Strommärkten die freie Preisbildung zu einer effizienten Allokation von Kapazitäten führt und somit genügend Anreize für versorgungsrelevante Kapazität bestehen. In den allermeisten Märkten ergeben sich die Erlöse durch die ‚Erzeugung‘ und Verkauf von Produkten, nicht durch das Bereithalten von Produktionskapazität. Auch bei sinkender Auslastung können (theoretisch) die Preise in einzelnen Stunden so weit steigen (Knappheitspreise), bis Kapazitäten rentabel sind. Folgende Voraussetzungen müssen (in einem ähnlichen Ausmaß wie in anderen Sektoren) erfüllt sein, damit der EOM genügend Investitionsanreize bietet, um Versorgungssicherheit herzustellen. Genauso wie in anderen kompetitiven, liberalisierten Märkten, kann auch in Strommärkten ein Wettbewerbsgleichgewicht entstehen, das die Deckung der Nachfrage zu günstigeren Kosten erlaubt als im Fall von vertikal integrierten staatlichen Monopolen [3].
Damit sich ein solches Gleichgewicht aber tatsächlich einstellt, müssen eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt sein. Die folgenden (als zentral identifizierten) Voraussetzungen werden im Nachgang näher erläutert und deren Erfüllungsgrad bewertet.
- Vollständiger Wettbewerb
- Planungssicherheit
- Ausreichend Knappheitspreise
Vollkommene Märkte#
Damit Märkte zu einer pareto-effizienten Ressourcenallokation führen, keine Knappheiten oder anhaltende Überschüsse entstehen und genügend Anreize für versorgungsrelevante Investitionen bestehen, müssen eine Reihe von Voraussetzungen im Sinne eines ‚vollkommenen Marktes‘ erfüllt sein.
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2.1.1.1 Große Anzahl an Marktteilnehmer, Abwesenheit von Marktmacht#
Damit Märkte effizient funktionieren, ist eine große (quasi unlimitierte) Anzahl an Marktakteuren notwendig. Diese theoretische Vorstellung ist in der Realität in den seltensten Fällen erfüllt. Selbst wenn diese Voraussetzung in der Realität nicht vollständig erfüllt ist, kann ausreichend Konkurrenz auf Angebotsseite auch durch andere Faktoren hinreichend erfüllt sein. Dazu müssen Märkte ‚bestreitbar‘ sein, d.h. der Markteintritt muss ‚vollkommen frei‘ bzw. der Marktaustritt muss ‚kostenlos‘ sein [4]. Vor allem beim Marktaustritt müssen die versunkenen Kosten hinreichend gering sein. Unter nicht ausreichender Konkurrenz kann es zu Monopolbildungen kommen, die die Kapazitäten künstlich verknappen, und damit nicht ausreichend Kapazität zur Verfügung gestellt wird.
2.1.1.2 Symmetrische Information#
Die Marktteilnehmer müssen das Marktgeschehen sehr gut überblicken. Das bedeutet, Informationen über den Markt (die Eigenschaften des Gutes) sind ‚kostenlos‘ verfügbar, Verträge sind vollständig und ihre Erfüllung kann ‚kostenlos‘ durchgesetzt werden.
2.1.1.3 Marktteilnehmer als Mengenanpasser#
Eine klassische Voraussetzung für die Existenz eines nahezu vollkommenen Marktes ist, dass Marktteilnehmer als Preisnehmer und Mengenanpasser reagieren.
2.1.1.4 Kurze Reaktionszeit#
Marktteilnehmer müssen in der Lage sein, auf Marktänderungen ‚schnell‘ reagieren zu können. Zu lange Anpassungszeiten führen zu Situationen von anhaltendem oder wechselndem Überschuss/Knappheit. Beispiele dafür sind das ‚Cobweb Theorem‘ [5] oder der ‚Schweinezyklus‘ [6]. Im schlechtesten Fall führt ein zu starker zeitlicher Versatz zu einem Versorgungsengpass.
2.1.1.5 Niedrige Transaktionskosten#
Die Existenz von Transaktionskosten kann das Zustandekommen eines effizienten Marktergebnisses verunmöglichen. Nur wenn Austausch zwischen Marktteilnehmern kostengünstig möglich ist und Verträge kostengünstig zustande kommen können, führen Märkte zu einer effizienten Ressourcenallokation.
2.1.1.6 Abwesenheit von Externalitäten#
Sobald Externalitäten im Spiel sind, führen Märkte nicht mehr zu einer pareto-effizienten Allokation von Gütern und machen staatliche Eingriffe notwendig [1]. Sobald Dritte (in positiver/negativer Weise) vom Marktgeschehen betroffen sind, kann über den Marktmechanismus keine pareto-effiziente Allokation mehr hergestellt werden.
Ausreichende Planungssicherheit#
Damit im EOM Investitionsanreize entstehen, braucht es für Marktakteure Planungssicherheit. Bei Investitionen in den Kraftwerkspark handelt es sich um hohe Summen mit langen Amortisationszeiten. Diese Investitionen werden nur dann getätigt, wenn ausreichend Sicherheit über die zukünftig zu erwartenden Erlösströme bzw. Kosten gegeben ist.
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2.1.2.1 Existenz liquider langfristiger Märkte#
Die Liquidität von Forward-Märkten ist eine wichtige Voraussetzung, um Planbarkeit sowohl für die Erlöse als auch Kosten sicherzustellen. Darüber hinaus müssen die Vorlaufzeiten für Kraftwerksbau mit dem zur Verfügung stehenden Planungshorizont konsistent sein.
2.1.2.2 Absehbarkeit von regulatorischen Eingriffen#
Regulatorische Eingriffe und politische Interventionen in den Markt nehmen starken Einfluss auf die Planungssicherheit. Marktteilnehmer antizipieren Änderungen des regulatorischen Umfelds, was wiederum starken Einfluss auf die Investitionstätigkeit bzw. das Verhalten am Markt hat. Insofern braucht der Markt stabile und vorhersehbare Rahmenbedingungen.
Ausreichende Knappheitspreise#
Im EOM müssen die Preise für bestimmte Perioden über die Grenzkosten hinaus steigen, um die Fixkosten für Betreiber zu decken. Dies setzt einerseits die Abwesenheit von Preisobergrenzen als auch eine hohe Zahlungsbereitschaft seitens Nachfrage voraus.
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2.1.3.1 Keine expliziten Preisobergrenzen#
Preise müssen Knappheiten anzeigen können, sodass sowohl das Angebot als auch die Nachfrage auf Preisspitzen reagieren können. Dazu dürfen keine expliziten Preisobergrenzen vorhanden sein. Um Marktmissbrauch zu verhindern kann eine sinnvolle Preisobergrenze die VOLL darstellen.
2.1.3.2 Keine impliziten Preisobergrenzen#
Damit in einem EOM ausreichend Investitionsanreize für versorgungsrelevante Kapazität zur Verfügung gestellt werden, muss der Markt in der Lage sein, Knappheiten durch hohe Preise anzeigen zu können. Daher dürfen keine impliziten Preisobergrenzen vorhanden sein. Anders formuliert, muss die gesellschaftliche/politische Akzeptanz von Preisspitzen gegeben sein. Die folgenden Umstände können eine Konsequenz einer nicht vorhandenen Akzeptanz für hohe Preise sein:
- Ahndung von Knappheitspreisen durch die Regulierungsbehörde aufgrund von Verwechslung mit Marktmissbrauch
- Veröffentlichung von Preisgeboten (gesellschaftliche/politische Akzeptanz von Preisspitzen muss gegeben sein)
2.1.3.3 Ausreichend Zahlungsbereitschaft#
Hohe Knappheitspreise müssen durch Zahlungsbereitschaft der Konsumenten gedeckt sein. Direkt oder indirekt (nach Glättung durch einen Lieferanten) müssen Preisspitzen von den Strombezieher:innen bezahlt werden. Das Zustandekommen von Preisspitzen setzt insofern eine dementsprechende Zahlungsbereitschaft und Bewusstsein über das Entstehen von Preisspitzen voraus.